Krankenkasse erhält 62.441,- Euro Schadenersatz wegen zu spät erkannter Hirnblutung ihrer Versicherten

Im Juni 2013 erhob ich vor dem Landgericht Hanau für eine gesetzliche Krankenversicherung (Klägerin) Schadenersatzklage auf Zahlung von 93.662,- Euro gegen ein Rehabilitationszentrum (Beklagte).

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die 81-jährige Versicherte der Klägerin stolperte im Dezember 2008 über einen Teppich und zog sich dabei eine subarachnoidale Blutung zu, welche im Klinikum Offenbach symptomatisch behandelt wurde. Nachdem sich im CT eine deutliche Resorption der Blutungsareale zeigte, wurde die Patientin in ein Rehabilitationszentrum, der späteren Beklagten, verlegt. Zu jenem Zeitpunkt konnte sie mit Hilfe einer zweiten Person noch selbständig gehen. Am Abend des Aufnahmetages (15.12.2008) kam es zu einem Sturzereignis. In der anschließenden ärztlichen Untersuchung zeigten sich keine Auffälligkeiten, allerdings wurde kein neurologischer Status erhoben. Über Nacht entwickelte sich ein starker Harndrang. Die Bitte des auch anwesenden Ehemannes, seine Frau in ein Krankenhaus zurückzuverlegen, wurde von dem diensthabenden Arzt abgelehnt. Am darauffolgenden Tag (16.12.2008) war die Patientin verwirrter, konnte sich nicht mehr selbständig waschen und musste im Rollstuhl transportiert werden. Am späten Abend um ca. 22.00 Uhr trat massive Übelkeit mit heftigem Erbrechen auf. Der Ehemann bat erneut um Verlegung seiner Frau in ein Krankenhaus, was abgelehnt wurde. Ein neurologischer Status wurde zu jenem Zeitpunkt nicht erhoben. In derselben Nacht (17.12.2008) wurde um 0.30 Uhr in dem Pflegebericht vermerkt, dass die Patientin erbrochen hatte, kaltschweißig war und einen Blutdruck von 220/120 aufwies bei einem Puls von 96 und einem Blutzucker von 139. Der herbeigerufene Arzt ordnete aber lediglich die Verabreichung von Vomex (gegen Übelkeit), Bayotensin (gegen Bluthochdruck) und Pantozol (gegen Sodbrennen) an. Einen neurologischen Status erhob er ebenfalls nicht. Kurz danach wurde die Patientin ohnmächtig. Erst dann war der diensthabende Arzt bereit, sie in ein Krankenhaus zu verlegen. Dort angekommen wurde die Patientin sofort einer notfallmäßigen Entlastungsoperation unterzogen. Eine erneute Hirnblutung hatte zu den Ausfallerscheinungen geführt. Weil die Entlastungsoperation aber zu spät erfolgte, blieb die Versicherte der Klägerin somnolent, halbseitig gelähmt und litt unter einer Aphasie (Sprachstörung) und Schluckstörung. Meine Mandantin hatte bis zu dem Tod ihrer Versicherten im Oktober 2011 schadenbedingte Leistungsaufwendungen in Höhe von 93.662,- Euro.

Das Landgericht Hanau gab ein neurologisches Sachverständigengutachten in Auftrag. Der neurologische Sachverständige stellte in seinem schriftlichen Gutachten dar, dass der dokumentierte Verlauf typisch sei für die Hirndrucksteigerung in Folge eines intrakraniellen raumfordernden Prozesses. Er scheute jedoch davor zurück, die ärztlichen Versäumnisse klar zu benennen und / oder als groben Behandlungsfehler einzuordnen. In der mündlichen Verhandlung wurde bei seiner Befragung aber deutlich, dass man spätestens am Abend des 16.12.2008 um 22.00 Uhr, als die massive Übelkeit mit Erbrechen auftrat, eine neurologische Diagnostik hätte in die Wege leiten müssen, vornehmlich die Anfertigung eines CT's. Darauf hätte man mit großer Wahrscheinlichkeit die erneut aufgetretene Raumforderung gesehen und die Patientin einer sofortigen Therapie (Entlastungsoperation) zugeführt. Es blieb allerdings spekulativ, ob eine um fünf bis sechs Stunden früher durchgeführte Entlastungsoperation die gravierenden Gesundheitsschäden vermieden hätte. Auszuschließen war dies nach Angaben des neurologischen Sachverständigen nicht.

In rechtlicher Hinsicht handelte es sich um eine unterlassene Befunderhebung. Dies bedeutet, dass man bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (über 50 %) ein reaktionspflichtiges Ergebnis gesehen hätte und eine Nichtreaktion auf dieses Ergebnis - den hypothetischen Befund - schlechterdings nicht nachvollziehbar wäre. Damit tritt eine Beweislastumkehr für den Ursachenzusammenhang zwischen der unterlassenen Befunderhebung und dem eingetretenen Gesundheitsschaden ein.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme haben sich die Parteien des Rechtsstreits auf Zahlung von 2/3 der Schadenersatzforderung geeinigt, sodass meine Mandantin einen Schadenersatzbetrag in Höhe von 62.441,- Euro erhielt (Landgericht Hanau, 9 O 691/13).