Ärztefehler immer seltener anerkannt

Ärztefehler immer seltener anerkannt Kommission ändert Verfahren — Nur jeder achte Antragsteller obsiegt

Von Christian Althoff. Münster (WB). Die Gutachterkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe in Münster erkennt immer seltener mögliche Behandlungsfehler an.

Noch vor zehn Jahren hatte nahezu jeder vierte Patient (23,7 Prozent), der sich mit einem vermuteten Kunstfehler an die Ärztekammer gewandt hatte, Recht bekommen. Im vergangenen Jahr war es nur noch jeder achte: Von 1107 Anträgen, die die Gutachterkommission bearbeitete, wurden 170 im Sinne des Patienten entschieden — 13 Prozent.

Die Halbierung der Anerkennungsquote erklärt Volker Heiliger, der Sprecher der Ärztekammer Westfalen-Lippe, so: »Wir gehen jetzt nur noch von einem Behandlungsfehler aus, wenn ein Zusammenhang zwischen einer Fehlbehandlung und einem Schaden nachgewiesen werden kann.« Sei ein Behandlungsfehler nach Ansicht der Gutachterkommission nicht Ursache eines Schadens, werde er auch nicht mehr als solcher gewertet. Mit dieser Regelung folge man der Bundeärztekammer, die ihre bundesweite Statistik ebenso führe.

Die meisten festgestellten Behandlungsfehler in Westfalen-Lippe geschahen 2010 in der Chirurgie (31 Prozent der Fälle), gefolgt von Gynäkologie und Geburtshilfe (zehn Prozent), Orthopädie (16 Prozent), der Inneren Medizin (elf Prozent), der Urologie (vier Prozent) und der Allgemeinmedizin (drei Prozent). Es folgen Neurochirurgie, Augenheilkunde und andere Disziplinen. Im ambulanten Bereich betrafen die weitaus meisten Fehler die Diagnose, im Krankenhaus waren es Operationen und andere Therapien.

Patienten können vermutete Behandlungsfehler nicht nur von der Gutachterkommission prüfen lassen. Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) bietet diesen kostenlosen Service, den im vergangenen Jahr in Westfalen-Lippe 1131 Patienten genutzt haben. »In 17 Prozent der Fälle wurde ein Behandlungsfehler mit Folgeschäden festgestellt«, sagt Peter Dinse vom MDK in Münster.
In diesen Fällen versuchten die Krankenkassen, sich die Kosten der Folgebehandlungen von den Haftpflichtversicherungen der Ärzte erstatten zu lassen. Wer den Dienst der MDK nutzen wolle, müsse sich an seine Krankenkasse wenden, sagte Dinse.

So urteilt die Gutachterkommission Westfalen-Lippe

Jahr Anträge zur Überprüfung durch die Gutachterkommission Anzahl der von der Gutachterkommision bewerteten Anträge Feststellung eines Behandlungsfehlers in Prozent
2000 1320 1008 232 23
2001 1452 1131 168 23,7
2002 1667 1194 260 21,8
2003 1660 1261 274 21,7
2004 1777 1210 244 20,2
2005 1364 1094 251 20,1
2006 1403 996 148 13,2
2007 1455 1057 167 14
2008 1497 1132 180 14
2009 1485 1101 170 13
2010 1384 1107 170 13