Frau nach Routine-Eingriff ein Schwerstpflegefall

47-Jährige wacht nach Schultergelenkspiegelung nicht auf - Krankenhaus zahlt

Von Christian Althoff Petershagen (WB). Sie wollte nur ihre Schulter untersuchen lassen, doch der Routine-Eingriff hatte dramatische Folgen: Eine 47 jährige Patientin sitzt heute als Schwerstpflegefall im Rollstuhl.

Die Frau aus Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) hatte seit Jahren Schulterschmerzen. Ihr Mann drängte sie, eine Gelenkspiegelung machen zu lassen, eine sogenannte Athroskopie. Der Eingriff sollte im Krankenhaus Bethel in Bückeburg in der sogenannten Beach-Chair-Lagerung vorgenommen werden. Dabei sitzt der narkotisierte Patient ähnlich wie beim Zahnarzt in einem Stuhl.

Prof. Dr . Ullrich H. Brunner von der »Deutschen Gesellschaft. Für Orthopädische Chirurgie« erklärt: »Diese Lagerung des Patienten hat zwei Vorteile: Zum einen ermöglicht die besondere Form des Stuhls, dass der Arzt von vorne und hinten an die Schulter herankommt. Zum anderen hat man den Patienten in seiner natürlichen Haltung vor sich und kann sich besser orientieren, als wenn er auf einem OP-Tisch in Seitenlage liegt.«

Damit der Operateur bei der Gelenkspiegelung überhaupt etwas sieht, wird das Gelenk ständig mit einer Art Kochsalzlösung durchspült, der Eingriff findet quasi unter Wasser statt. Weil Blut das Wasser undurchsichtig macht, kann der Anästhesist auf Wunsch des Operateurs den Blutdruck senken, so dass der Druck der Kochsalzlösung höher ist und die Flüssigkeit klar bleibt. Dies geschah auch bei der Frau aus Petershagen.

Die 4 7 –Jährige wachte nach der Athroskopie nicht aus der Narkose auf. Sie wurde in die Neurologie des Klinikums Minden verlegt, wo ein Hirnschaden durch Sauerstoff-Unterversorgung festgestellt wurde. Dr . Marion Rosenke aus Halle. Spezialistin für Medizinrecht und Anwältin der betroffenen Frau: »Die Ursache des Hirnschadens, die uns ein medizinischer Gutachter später vor dem Landgericht Bückeburg erläutert hat, ist ganz simpel; Während des Eingriffs wurde der Blutdruck meiner Mandantin mit einer Manschette am Arm gemessen. Da die Frau aber nicht lag, sondern sich in der Beach-Chair-Stellung befand, war ihr Kopf deutlich höher als der Arm. Im Kopf herrschte also ohnehin schon ein niedrigerer Blutdruck als vom Gerät angezeigt, und als der Anästhesist den Druck auf Bitten des Arztes weiter gesenkt hat, wurde das Gehirn nicht mehr richtig versorgt.«

Der Gutachter erklärte, dass bei der Beach-Chair-Lagerung der Blutdruck im Gehirn 20 bis 25 Prozent niedriger sei als am Arm gemessen. Das hätte der Anästhesist berücksichtigen müssen. Außerdem kritisierte er die Art der Blutdruckmessung und sagte, man hätte den Druck intraarteriell feststellen müssen. Dabei wird ein Katheter in die Handgelenksarterie gesteckt, mit dem der Druck von Pulsschlag zu Pulsschlag gemessen wird, so dass Änderungen sofort auffallen. Eine Messung mit Manschette liefert dagegen nur Mittelwerte in großen Abständen.Dr. Marion Rosenke: »Die Patientin ist irgendwann wieder aufgewacht, aber die Schäden sind trotz Rehamaßnahmen enorm. Sie kann Arme und Beine kaum bewegen und sitzt fast immer im Rollstuhl. Sie hat Konzentrationsstörungen und kann ihre Situation nicht einschätzen. Wenn ich sie frage, wie es ihr geht, sagt sie >Prima!<. Dabei steht sie unter gesetzlicher Betreuung und wird täglich zu Hause von einem Pflegedienst versorgt.« Ihr Ehemann sei kürzlich gestorben, so dass die 47-Jährige niemanden habe, der ständig bei ihr sei. Eine Krankenhaussprecherin sagte gestern, das Schicksal der Patientin mache alle Mitarbeiter betroffen.

Zumindest ist die Frau jetzt finanziell abgesichert: Fünf Jahre nach der OP haben sich Krankenhaus und Patientin auf einen Vergleich geeinigt. Danach bekommt die Frau 320 000 Euro Schmerzensgeld, und das Krankenhaus trägt alle Kosten, die der Frau in Zukunft durch ihre Behinderung noch entstehen.