320.000,- Euro Schmerzensgeld für Narkosezwischenfall mit nachfolgender Hirnschädigung wegen Sauerstoffunterversorgung

Meine im Jahr 1965 geborene Mandantin litt seit dem Frühjahr 2002 unter mehr oder weniger stark ausgeprägten Schmerzen in der Schulter-Nackenregion. Der Hausarzt überwies sie in ein Klinikum zur Durchführung einer Schulterarthroskopie. Am 11.06.2007 kam es zu dem operativen Eingriff, bei dem die Patientin in der sog. beach-chair-position gelagert wurde. Postoperativ zeigten sich unklare Vigilanzstörungen, die Patientin wachte also nicht aus der Narkose auf. Noch an demselben Tag wurde sie in eine Neurologische Abteilung eines Fachkrankenhauses verlegt, wo man einen hypoxischen Hirnschaden (Hirnschaden wegen Sauerstoffunterversorgung) feststellte. Als Dauerschaden verblieben u. a. eine links betonte Tetraparese (inkomplette Lähmung aller vier Extremitäten) mit Tremor (Zittern), eine wechselnde Vigilanz mit Antriebsarmut, Bettlägerigkeit, Konzentrationsstörungen, hirnorganische kognitive Störungen sowie ein Verlust der Gehfähigkeit und des koordinierten Sprachvermögens. Meine Mandantin ist seitdem auf umfassende fremde Hilfe angewiesen und überwiegend rollstuhlpflichtig.

Wegen des Verdachts auf eine auch durch eine Lagerung (beach-chair-position) mit ungenügender Überwachung der Sauerstoffsättigungswerte bedingte Minderversorgung des Gehirns mit Sauerstoff (Narkosezwischenfall) wurden beim Krankenhaus, welches die Schulterarthroskopie durchgeführt hatte, ein Schmerzensgeld in Höhe von 380.000,- Euro und weitere materielle Schäden angemeldet. Da die Versicherung des Krankenhauses allerdings alle Ansprüche ablehnte, habe ich für meine Mandantin im Juli 2009 Klage zum Landgericht Bückeburg erhoben.

Der vom Gericht eingeschaltete medizinische Sachverständige, ein Facharzt für Anästhesiologie, stellte anhand der Krankendokumentation fest, dass meine Mandantin perioperativ (also schon während der Narkose / Operation) einen Hirnschaden erlitten hatte. Der Blutdruck wurde lediglich mit einer pneumatischen Manschette nicht-invasiv am Arm gemessen. Bei aufrechter Lagerung (beach-chair-position) trat zusätzlich eine Kreislaufdepression ein, wobei der am Arm gemessene Blutdruck nicht dem Blutdruck im Bereich des Gehirns entsprach. Es ergibt sich regelmäßig eine systematische Überschätzung der Blutdruckwerte von ca. 25 mmHG. Bei einem Messwert von 80/50 am Arm ist also ein um 25 mmHG niedrigerer Wert von 55/25 im Bereich des Gehirns zu erwarten. Dieser Wert ist bedrohlich niedrig und erklärt die Gefährdung der Hirndurchblutung. Weiterhin spielt der arterielle Mitteldruck eine Rolle, der im Fall meiner Mandantin unterhalb von 50 mmHG (bezogen auf das Gehirn) lag, was für jeden Facharzt für Anästhesie zwingenden Handlungsbedarf induziert hätte. Der medizinische Standard hätte auch darin bestanden, den Blutdruck der Patientin invasiv zu überwachen. Die durchgeführte "kontrollierte Hypotension" (kontrollierte Blutdrucksenkung, welche vom Operateur erbeten worden war), war nicht zwingend notwendig gewesen. Der gerichtliche Sachverständige konstatierte, dass die beiden wesentlichen Behandlungsfehler, nämlich das insuffiziente Blutdruckmanagement und die unvollständige zu späte Abklärung des postoperativ auffälligen neurologischen Status einem Facharzt für Anästhesie schlechterdings nicht unterlaufen dürfen. Damit standen auch grobe ärztliche Behandlungsfehler fest, die zu einer Beweislastumkehr für das Kausalitätsband zwischen festgestellten Fehlern und dem eingetretenen Gesundheitsschaden führten.

Die Beklagtenseite erhob gegen die gutachterlichen Feststellungen Einwände. Es kam insgesamt zu zwei mündlichen Verhandlungen, in denen der medizinische Sachverständige persönlich angehört wurde. Es gab drei schriftliche fachanästhesiologische Gutachten dieses Sachverständigen sowie ein gebührenrechtliches Gutachten bzgl. der geltend gemachten Anwaltskosten. Weiterhin wurden ein neurologisches Gutachten und ein neuropsychologisches Zusatzgutachten wegen der dauerhaft eingetretenen Gesundheitsschäden der Klägerin eingeholt. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien des Rechtsstreits im Dezember 2012 einen gerichtlichen Vergleich, demzufolge meine schwerstgeschädigte Mandantin ein Schmerzensgeld in Höhe von 320.000,- Euro zzgl. knapp 30.000,- Euro an materiellen Schäden und über 7.000,- Euro an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhielt. Weiterhin wurde ein Vorbehalt für die künftigen materiellen und die nicht voraussehbaren immateriellen Schäden ausgesprochen (Landgericht Bückeburg, Beschluss vom 13.12.2012, 3 O 29/09 und 2 O 122/10).

Im Nachgang zu dem gerichtlichen Vergleich bin ich für meine Mandantin in außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zu der Versicherung des verklagten Krankenhauses getreten, um weitere materielle Schäden geltend zu machen, die in der Zwischenzeit entstanden waren.