Medizinprodukthaftung:
über 120.000,- Euro Schadenersatz für Austauschoperation eines Kunstherzens

Beim Landgericht Berlin war folgender Rechtsstreit anhängig
Ein im Jahr 1950 geborener Mann litt unter multiplen Herzproblemen, unter anderem wies er eine Mitralklappeninsuffizienz und eine dilatative Kardiomyopathie auf. Er erhielt zunächst einen sog. „Herzschrittmacher“, war damit aber nur minimal belastbar. Im Februar 2006 wurde ihm deshalb ein Linksherzunterstützungssystem, ein LVAD-INCOR eingesetzt (im Folgenden: Kunstherz). Ein gutes halbes Jahr später traten Pumpaussetzer auf. Der Patient wurde per Flugrettung in das Deutsche Herzzentrum Berlin verbracht, wo das Kunstherz wegen des Verdachts auf einen Kabeldefekt explantiert und ein neues Kunstherz implantiert wurde. Der weitere Verlauf war komplikationsbehaftet mit einer weiteren Operation und stationären Krankenhausaufenthalten. Der Patient verstarb im Juni 2007 an den Komplikationen. Die Krankenkasse hatte für die Austauschoperation und die Flugrettung Leistungsaufwendungen in Höhe von über 120.000,- Euro getätigt. Diesen Betrag verlangte sie von der Medizinproduktherstellerin des defekten Kunstherzens zurück. Obgleich die Medizinproduktherstellerin das defekte, explantierte Kunstherz untersuchen ließ und diese Untersuchung zu dem Ergebnis kam, dass der Fehler für die Pumpaussetzer nur im Herstellungsbereich liegen konnte (mechanische Vorschädigung von Kabelanteilen), lehnte sie eine außergerichtliche Schadenregulierung ab. Im Februar 2011 wurde deshalb Klage vor dem Landgericht Berlin erhoben.

Der Prozessverlauf
Das Landgericht Berlin forderte ein technisches Sachverständigengutachten zu (unter anderem) der Frage an, ob angesichts der mechanischen Vorschädigung ein Konstruktionsfehler des „Kunstherzens“ vorliege, der nach dem Stand der Technik vor Inverkehrbringen des Produkts erkennbar gewesen sein müsste. Der technische Sachverständige untersuchte die explantierten Kabelanteile auch persönlich und kam unter Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen – unter anderem zum Herstellungsprozess – zu dem Ergebnis, dass es sich tatsächlich um eine mechanische Vorschädigung handelte, die zu den Pumpaussetzern geführt hatte. Die von der Beklagten ins Feld geführten anderen Ursachen (Sturz des Patienten/Beschädigung erst bei der Explantation des Kunstherzens) konnte er ausschließen. Weiterhin stellte er nachvollziehbar dar, dass ein fehlerfreies Funktionieren des Kunstherzens über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr nicht gegen eine mechanische Vorschädigung spricht. Eine bloße Ohm'sche Messung im Rahmen des Herstellungsprozesses war nicht ausreichend, um eine mechanische Vorschädigung zu detektieren.
Das Landgericht Berlin gab der Klage im Juli 2015 statt. Die Beklagte legte keine Berufung ein, sodass das Urteil nach Ablauf eines Monats in Rechtskraft erwuchs (Landgericht Berlin, Urteil vom 29.07.2015, 3 O 85/11).

Fazit für Betroffene von Austauschoperationen eines Kunstherzens
Es verwundert, dass die Medizinproduktherstellerin es angesichts des eigenen, sehr eindeutigen Produktgutachtens auf eine Klage ankommen ließ. Letztlich musste sie nicht nur den geltend gemachten Schadenersatz leisten, sondern auch sämtliche Gerichts-, Sachverständigen- und Anwaltskosten tragen. Allerdings ist eine solche Weigerungshaltung, gerade auch im Arzthaftungsrecht, selbst bei Vorliegen positiver Produktgutachten oder Behandlungsfehlergutachten relativ häufig anzutreffen. Mit einem entsprechend langen Atem muss sodann auf gerichtlichem Weg der Erfolg erstritten werden.