Falsche Behandlung im Krankenhaus:
Euro 30.000,- Schmerzensgeld für fehlerhafte Magenoperation

In einem vor dem Landgericht Augsburg geführten Rechtsstreit ging es um folgenden Sachverhalt:

1. Der medizinische Sachverhalt
Der im Jahr 1963 geborene Kläger litt aufgrund einer Eisenmangelanämie unter chronischer Müdigkeit und begab sich im März 2011 in eine Augsburger Klinik, um die Ursache abklären zu lassen. Dort sah man einen Thoraxmagen, auch Upside-down-Magen genannt, als wahrscheinlichste Blutungsquelle an und empfahl eine Operation. Mitte Juli 2011 fand der operative Eingriff in Form einer laparoskopischen Reposition statt. Nach dieser Operation traten neue Beschwerden auf, insbesondere ständiges Sodbrennen unabhängig von der Nahrungsaufnahme und Schluckbeschwerden. Der Kläger verspürte auch einen Brechreiz und nahm fast nur noch Brei zu sich. Die behandelnden Ärzte der Augsburger Klinik sahen die Indikation für einen Revisionseingriff und führten diesen im August 2011 durch. Die Beschwerden besserten sich für den Kläger dadurch jedoch nicht.
Mit der Diagnose eines „Rezidivs“ des Upside-down-Magens wurde der Kläger im November 2011 erneut stationär aufgenommen und operiert. Es handelte sich um eine offene Operation mit Magenhochzug, wonach die Beschwerden jedoch in einem nie zuvor gewesenen Ausmaß zunahmen. Der Kläger erbrach jegliche Nahrung und verspürte einen schmerzhaften Würgereiz. Er verlor 20 kg Gewicht binnen drei Wochen und konnte nicht mehr auf der linken Seite liegen, weil dann ein Aufstoßen mit teils unverdauter Nahrung auftrat. Er verbrachte die Nächte sitzend und war auch psychisch labil. In dem Krankenhaus führte sodann der Chefarzt persönlich im Januar 2012 einen vierten operativen Eingriff durch, durch den aber keine Besserung eintrat. Der Kläger wurde Ende Januar 2012 als „geheilt“ entlassen, wohingegen er selbst das Gefühl hatte, bei lebendigem Leibe zu verhungern.

2. Der Prozessverlauf vor dem Landgericht Augsburg
Nachdem außergerichtliche Regulierungsverhandlungen gescheitert waren, erhob der geschädigte Patient, anwaltlich vertreten, im August 2014 eine Schmerzensgeldklage, bezifferte weitere materielle Ansprüche und machte einen Vorbehalt für Zukunftsschäden geltend. Das Landgericht Augsburg holte ein medizinisches Sachverständigengutachten bei einem Facharzt für Chirurgie, Allgemeinchirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie ein. Dieser konnte keine ärztlichen Behandlungsfehler bei den beiden ersten Operationen feststellen. Weil allerdings vor der dritten Operation auch funktionelle Beschwerden vorhanden waren, wäre eine weitere Abklärung durch eine 24-Stunden-ph-Metrie geboten gewesen. Das Unterlassen dieser Untersuchung bewertete der Sachverständige als einen einfachen Behandlungsfehler. Wenn sich bei dieser Untersuchung überwiegend funktionelle Beschwerden gezeigt hätten, hätte ein anderes Operationsverfahren zur Anwendung kommen müssen. Im Hinblick auf den vierten Eingriff monierte der gerichtliche Sachverständige ebenfalls, dass keine eindeutige Abklärung zwischen rein funktionellen Störungen und reinen Operationsfolgen stattgefunden hatte. Dies bewertete er als einfachen Fehler, wobei dieser vierte Eingriff in seiner konkreten Durchführung jedoch zur Behebung von Verwachsungsproblemen sowieso erforderlich war.
Bei dem dritten Eingriff jedoch hätte eine refluxverhindernde Operationstechnik zum Einsatz kommen müssen, nicht jedoch – wie geschehen – eine refluxfördernde Operationstechnik. In Zusammenschau der unterlassenen präoperativen Diagnostik und der fehlerhaften Operationstechnik sprach der Sachverständige von einem eindeutigen Behandlungsfehler, welcher aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Ärzteteam schlechterdings nicht unterlaufen darf. Damit konstatierte er einen groben ärztlichen Behandlungsfehler, der mit einer Beweislastumkehr zugunsten des geschädigten Patienten für den Ursachenzusammenhang zwischen dem ärztlichen Fehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden einhergeht. Diese Beweislastumkehr bezieht sich in der Regel jedoch „nur“ auf die eingetretenen Primärschäden, nicht jedoch auf die Sekundärschäden wie etwa Verdienstausfall- und Haushaltsführungsschäden.
Bei seiner mündlichen Anhörung erläuterte der gerichtliche Sachverständige, dass bei Anwendung einer anderen Operationstechnik im November 2011 der Kläger etwa ab Mitte 2012 – ein Jahr früher als tatsächlich eingetreten – wieder arbeitsfähig geworden wäre. Auf Grundlage dieser Ausführungen schlossen die Parteien des Rechtsstreits einen Vergleich über Euro 30.000,-. Der Rechtsstreit wurde damit im Mai 2016 beendet (Landgericht Augsburg, 073 O 4055/14).

3. Fazit für Betroffene einer ärztlichen Fehlbehandlung
Der Kläger konnte von seinem erheblichen Leidensdruck letztlich nur durch eine weitere, in Münster im November 2012 durchgeführte Operation befreit werden. Es handelte sich dabei um eine zehnstündige sogenannte offene Operation, die mit einem hohen Letalitätsrisiko verbunden war.
An dieser rechtlichen Auseinandersetzung war bemerkenswert, dass sowohl der Medizinische Dienst der Krankenversicherung als auch ein außergerichtlich hinzugezogener Privatgutachter keine ärztlichen Behandlungsfehler erkennen konnten, der gerichtliche Sachverständige jedoch im Zusammenhang mit der dritten Operation sogar einen groben ärztlichen Behandlungsfehler konstatierte. Dieser Fall veranschaulicht damit sehr gut, in welcher „Bandbreite“ sich geschädigter Patient und sein Patientenanwalt bewegen. Fazit: Das Arzthaftungsrecht hält jederzeit Überraschungen bereit und wird maßgeblich von den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen beeinflusst.