Gefährlicher Herzschrittmacher: Vertriebsfirma muss zahlen

Oberlandesgericht Hamm spricht AOK Erstattung der Operationskosten zu

Von Christian Althoff. Bielefeld (WB). Der Verkäufer eines fehlerhaften Herzschrittmachers muss die Operation zum Austausch des Gerätes bezahlen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, das damit ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Bielefeld gekippt hat.

Einer 68-jährigen Patientin war ein Herzschrittmacher der US-Firma »Guidant« eingesetzt worden. 2005 gab der Hersteller bekannt, bei 40 Herzschrittmacher typen könne wegen einer defekten Dichtung Flüssigkeit in die Elektronik dringen und diese zerstören, die Folge könne im schlimmsten Fall der Tod des Patienten sein. Weltweit soll das Risiko bei 28 000 Geräten bestanden haben. Dr. Marion Rosenke, Fachanwältin für Medizinrecht aus Halle (Kreis Gütersloh), schätzt die Zahl der in Deutschland betroffenen Patienten »auf etliche hundert, wenn nicht sogar tausend«.

In den USA hatte »Guidant« die Geräte zurückgerufen, in Deutschland hatte der deutsche Vertriebspartner lediglich »Sicherheitshinweise« an Ärzte ausgegeben. In dem Brief wird empfohlen, bei Patienten, die das Gerät unbedingt brauchten, den Austausch »zu erwägen«.

Da die ostwestfälische Patientin beim Ausfall des Schrittmachers gestorben wäre, wurde das Gerät gegen ein anderes ersetzt. Die Operationskosten von 5990 Euro wollte die AOK Nordwest von der deutschen Vertriebsfirma erstattet haben. Das Landgericht Bielefeld entschied jedoch im vergangenen Jahr, ein Vertriebsunternehmen müsse nicht für Fehler des Herstellers haften. Die AOK ging dagegen in die Berufung und bekam vor dem Oberlandesgericht in Hamm Recht. Die Richter entschieden, als alleinige Importeurin des Gerätes für den europäischen Raum sei die Vertriebsfirma dem Produkthaftungsgesetz zufolge dem Hersteller haftungsrechtlich gleichgestellt. An der Notwendigkeit der OP ließen die Richter keinen Zweifel — auch wenn sich der Herzschrittmacher der Frau später als heil erwiesen hatte. Die Ausfallwahrscheinlichkeit dieses Typs sei einem Gutachter zufolge 20 mal - höher als üblich gewesen. Dieses sei für Patienten unzumutbar. entschied der 21. Zivilsenat.

Der Gutachter hatte außerdem erklärt, die bedenkliche Dichtung habe zum Zeitpunkt der Produktion nicht dem Stand der Technik entsprochen. »Die zu erwartende Beeinträchtigung war katastrophal«, heißt es in dem Urteil. Letztlich habe das fehlerhafte Produkt zu einer Körperverletzung geführt, da die Frau sich der OP zum Austausch des Gerätes habe unterziehen müssen. Eine Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld erwägt die Patientin allerdings nicht.

Dr. Marion Rosenke. die den Prozess für die AOK Nordwest geführt hatte, spricht von einem Urteil mit Signalwirkung: »Denn es gibt noch etliche Fälle, in denen Krankenkassen die OP-Kosten für den Herzschrittmacheraustausch erstattet haben möchten.«

Die Vertriebsfirma will das Urteil noch nicht akzeptieren: Sie hat Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, weil sie sich vom OLG nicht ausreichend angehört fühlt.

LG Bielefeld Az.: 18 O 14/08; OLG Hamm Az.: I-21 U 163/08