Witwe will Informationen über Keime im Krankenhaus
Gericht: Daten dürfen unter Verschluss gehalten werden
Von Christian Althoff.
Bielefeld. (WB). Hat ein Klinikpatient Anspruch darauf, Aufzeichnungen über Krankenhauskeime einzusehen? »Nein«, hat das Landgericht Bielefeld entschieden.
Krankenhäuser müssen alle zwei Jahre einen Qualitätsbericht erstellen, der im Internet veröffentlicht wird. So können Patienten etwa erfahren, welches Haus in ihrer Nähe die größte Erfahrung mit bestimmten Operationen hat, Die Berichte müssen allerdings keine Auskunft darüber geben, wie es um die Hygiene bestellt ist. »Und das ist ein großes Problem«, sagt Dr. Marion Rosenke, Fachanwältin für Medizinrecht aus Halle (Kreis Gütersloh).
Die Juristin vertritt eine Frau, deren Mann 2009 in einem Biele¬felder Krankenhaus gestorben war. Der Mann war wegen Blasenkrebses operiert worden. Ihm war versichert worden, er sei in zwei Wochen wieder zu Hause. Doch er baute zusehends ab, war schließlich nicht mehr ansprechbar und starb — an einer Blutvergiftung.
Die Witwe vermutet, Hygienemängel könnten den Tod ihres Mannes verursacht haben. Ihre Rechtsanwältin: »Experten gehen davon aus, dass sich jedes Jahr 400.000 bis 600.000 Patienten in deutschen Krankenhäusern infizieren. Bis zu 180 000 dieser Infektionen gelten als vermeidbar.« Bundesweit werde von 1500 bis 4500 vermeidbaren Todesfällen pro Jahr ausgegangen.
Seit mehr als zehn Jahren sind Krankenhäuser verpflichtet, über sogenannte nosokomiale (im Krankenhaus erworbene) Infektionen Buch zu führen. Dr. Marion Rosenke: »Wenn uns das Krankenhaus diese Unterlagen zugänglich machte, könnte ein Gutachter klären, ob der Mann meiner Mandantin an einer vermeidbaren Infektion gestorben ist.« Das könne dann Grundla-ge einer Schmerzensgeldklage sein.
Doch das Krankenhaus veröffentlicht seine Aufzeichnungen nicht. Ein Sprecher sagte gestern: »Die Familie hat die komplette Patientenakte bekommen, Kein Krankenhaus gibt weitere Daten heraus.« Die Anwältin erhob daraufhin beim Landgericht Bielefeld eine Auskunftsklage, scheiterte jedoch. Die Richter entschieden, lediglich das Ge¬sundheitsamt habe Anspruch auf die Daten. Eine Nutzung durch Patienten komme nicht in Frage.
Dr. Marion Rosenke hat Berufung beim Oberlandesgericht Hamm eingelegt, das noch nicht über den Fall entschieden hat. Die Fachanwältin: »Bisher gibt es zu dieser Frage keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Patienten nicht ein Recht auf die Informationen haben sollen.« Jede Klinik werbe mit Hochglanzprospekten, aber in der Frage der Hygiene »wird gemauert«.
Beim Gesundheitsamt der Stadt Bielefeld ist Dr. Peter Schmid für die Kontrolle der Klinikaufzeichnungen zuständig. »Einmal im Jahr sehe ich mir in jedem Kran¬kenhaus die Zahlen der nosokomialen Infektionen an.« Vor allem im OP-Bereich und auf Intensiv-, Neugeborenen- und Krebsstationen seien solche Erreger gefährlich. »Wenn die Zahlen schlechter sind als in anderen Häusern, sprechen wir das an«, sagt Dr. Schmid. Zwei- bis dreimal im Jahr werde er auch von Patienten gefragt, in welchem Bielefelder Krankenhaus es die wenigsten Infektionen gebe. »Das sind sensible Daten, und deshalb haben wir die Frage bisher nicht beantwortet.«
Dr. Marion . Rosenke will das ändern: Parallel zu ihrer Berufung beim OLG prüft sie, ob das Gesundheitsamt nicht auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes diese Auskünfte erteilen muss.
LG Bielefeld Az.: 4 0 341/10